Herr Hartmut Teuber gratuliert:

 

FÜNFZIG MAL 'SELBSTBEWUSST WERDEN'!

Das ist ja ein historisches Ereignis! Fünfzig mal sagen wir, daß wir selbstbewußt zu unserem Taubsein stehen. Uns wird immer wieder gesagt oder verschleiernd beigebracht, daß wir darüber zu schämen haben, besonders im Zusammenhang mit dem Gebrauch der Gebärdensprache und des Sprechens.

Fünfzig mal sagen wir auch, daß wir stolz sind, taub zu sein. In den 1970er Jahren sprach man in den USA von "Deaf Pride", was dem "selbstbewußt taub sein" entspricht. Also schließt sich die deutsche Selbstbewußt-werden-Bewegung durch die Veröffentlichung der 50 'sbw'-Hefte der internationalen "Deaf Pride"-Bewegung an.

Fünfzig mal finden unsere Ansichten zur Taubheit eine Plattform, auch in unbeholfenem und fehlerhaftem Deutsch. Somit versuchen wir, Gehör für unser Anliegen zu verschaffen. Die 200jährige Geschichte unserer Behandlung ist leider mit traurigen Steinen der paternalistischen Besserwisserei und der Mißachtung unserer Meinungen und Verlangen gepflastert.

Fünfzig mal wehren wir uns gegen die Stigmatisierung der Taubheit und unseres Wesens. Denn mit der Überbetonung auf die Sprechfähigkeit und Ausnützung des Restgehörs werden wir verstärkt stigmatisiert, da unser schwer verständliches Sprechen und unsere mangelhafte Beherrschung von Deutsch uns als Sonderlinge aussondern und zum Spotten verleiten, da das sichtbare Tragen der Hörgeräte und gutes Sprechen überhöhte Erwartungen als Resultat hervorrufen und eingesessene Vorurteile verstärken.

Fünfzig mal kämpfen wir für das elementare Recht der tauben Kinder, unserer soziologischen Kinder, die Gebärdensprache zu erwerben, und gegen den ausschließlichen Oralismus. Denn mit Selbstbewußt-werden ist der stolze Gebrauch der Gebärdensprache eng verbunden.

Fünfzig mal versuchen wir, die falschen Behauptungen zu berichtigen, wir seien gegen die Lautsprache und Integration mit hörenden Mitbürgern, wenn wir nach der Gebärdensprache laut verlangen. Wie damals der taube Lehrer Otto Friedrich Kruse in vielen Schriften legen wir in 50 'sbw'-Heften dar, daß wir eine bessere Bildung und größere Integration erreichen würden, wenn wir die Gebärdensprache als Erstsprache erwerben dürfen und die deutsche Sprache als Zweitsprache lernen.

Fünfzig mal versuchen wir, hinzuweisen, daß die Taubheit für uns keine Krankheit bedeutet und demnach das Streben der Ohrenärzte und Pädagogen nach deren Verschwinden gegen die Natur sei.

Mit dem Erscheinen der 50 'sbw'-Hefte wird ein Befreiungsakt aus der angeworbenen Scham zur Taubheit geleistet, wie ich 1980 anläßlich des Internationalen Kongresses der Erziehung tauber Kinder in Hamburg im "Sehen Statt Hören" schon gesagt habe, daß wir uns von den Fesseln des Oralismus befreien müßten.

Fünfzig mal Dank dem Herausgeber Gehörlosenverband München und Umland e.V. und dem Kommunikationsforum München. Fünfzig mal aufrichtigen Dank den Schriftleitern Gertrud Mally und ihrem Nachfolger Gerhard Wolf, sowie den unzähligen Mitarbeitern, für das wagemutige Herausbringen dieser 50 stolzen 'sbw'-Hefte.

Laß weitere fünfzig 'sbw'-Hefte erscheinen zu unserem Selbstbewußt-werden, um allen kundzugeben, daß das Taubsein doch in Ordnung ist, und daß wir mit unserem Taubsein eine besondere Rolle in der Menschheit spielen.

Hartmut Teuber (gl), Arlington, MA 02174 (USA)