Frau Margit Hillermeyer gratuliert:

Liebe Leserin und

lieber Leser,

mir wurde eine große Ehre zugeteilt, ein Grußwort aus Anlaß der seit 1985 erscheinenden Vierteljahreszeitschrift 'Selbstbewußt werden' zur 50sten Herausgabe zu verfassen. Vom Angebot möchte ich gerne Gebrauch machen. An dieser Stelle möchte ich alle Freunde und Interessenten als Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der GebärdensprachkursleiterInnen Bayern e.V. (LAG) herzlichst begrüßen. Im Namen der LAG möchte ich der Redaktion zum Jubiläum gratulieren und ihr alles Gute und das erfolgreiche Fortführen der Zeitschrift wünschen.

Bevor ich auf die Anerkennung der Gebärdensprache eingehe, möchte ich das Gesamtbild der Zeitschrift 'Selbstbewußt werden' kurz beschreiben. Die Zeitschrift ist auf alles, was die Gehörlosigkeit und Gebärdensprache angeht, spezialisiert. Die Beiträge sind vielseitig und regen zum Nachdenken an. Viele Berichte wurden unbeschönigt veröffentlicht. Dadurch können wir uns eine eigene Meinung bilden und wissen, wo wir stehen. Auf Diskriminierung und kritische Punkte wurde mehrmals hingewiesen. Das geht nur, wenn die Redaktion bereit ist, sich damit zu befassen und es zu veröffentlichen. Was für mich besonders zählt, daß Betroffene, also Gehörlose, mitwirken und sich zu Wort melden. Im Laufe der Zeit hat sich ein Wandel in der hörenden Gesellschaft vollzogen. In der früheren Zeit wurde unsere Gebärdensprache verpönt. Jetzt zeigt die Gesellschaft großes Interesse an unserer Gebärdensprache. Immer mehr wollen einen Gebärdensprachkurs belegen. Die Nachfrage steigt enorm an dank der Öffentlichkeitsarbeit verschiedener Verbände und Filmsendungen über Gehörlose sowie Pressemitteilungen.

Über unsere Köpfe hinweg wurde immer wieder entschieden. Im Laufe der Zeit werden immer mehr Gehörlose als Betroffene zu Rate gezogen und ihnen wird die Möglichkeit gegeben mitzuentscheiden. Auch immer mehr Gehörlosen wird Zusammenarbeit angeboten, Vorträge z.B. bei Fortbildungen für Erzieher speziell für hörgeschädigte Kinder zu halten. Für die Basis wird viel für die gesetzliche Anerkennung der Gebärdensprache eingesetzt, um die Misere in verschiedenen Bereichen zu beheben und uns den Zugang zu öffentlichen Veranstaltungen zu ermöglichen. Die klare Regelung muß dafür sorgen, daß unsere Gebärdensprache der Lautsprache gleichgestellt ist und wir Ansprüche auf den Einsatz der Gebärdensprache haben. Es darf nicht beim Wohlwollen der Kostenträger bleiben. Durch die gesetzliche Anerkennung erreichen wir Rechte und Schutz. Nur so können wir uns am besten durchsetzen. Die Anerkennung der Gebärdensprache bedeutet auch die Anerkennung Gehörloser.

Was mich besonders sehr gefreut hat, daß alle Verbände außer einem gemeinsam Solidarität zeigen und am gleichen Strang bezüglich der gesetzlichen Anerkennung der Gebärdensprache ziehen. Letztes Jahr hat sich was im Bayerischen Landtag getan. Nach der Anhörung haben alle Parteien im Juni 98 verschiedene Maßnahmen für die Verbesserung bestehender Kommunikation beschlossen, wobei die Gebärdensprache mit einbezogen wird. Für die Staatsregierung ist die Förderung der Gehörlosen und Gebärdensprache ein besonderes Anliegen. Die Gebärdensprache und die Lautsprache dürfen sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern sich optimal ergänzen. Das ermöglicht die bessere Integration in der Gesellschaft der Hörenden.

Auch wenn der hessische Landtag als erstes Landesparlament am 10. Dezember 1998 einen Antrag zur Anerkennung der Gebärdensprache mit konkreten Handlungsanträgen an die hessische Regierung gestellt hat, hat unser Bayern die Nase vorn, weil unsere Staatsregierung viel weiter gegangen ist. Darauf können wir stolz sein. Darüber hinaus möchte ich etwas Neues vom Ministerrat erzählen. Er hat den Bericht von der interministeriellen Arbeitsgruppe, die Herr Ministerpräsident Stoiber angeordnet hat, zur Kenntnis genommen. Verschiedene Maßnahmen wurden für notwendig gehalten:

P Fachliche Weiterentwicklung der Gebärdensprache

P Stufenweise Einführung der Gebärdensprache als Unterrichtsfach

P Gebärdensprache als Lehramtsprüfungsfach und in der Fortbildung von Gehörlosenlehrern

P Ausbildung für Gebärdensprachdolmetscher

P Wohnortnahe Vermittlung von Gebärdensprachdolmetschern

P Einführungskurse in die Gebärdensprache

P Vereinfachtes Förderverfahren für Gebärdensprachdolmetscher-Einsätze

P Gründung eines Instituts für Gehörlosenfragen

P Untertitelung und Dolmetschereinblendungen beim Fernsehen

Auch wenn wir ein Stück weiter sind, dürfen wir nicht die Hände in den Schoß legen, sondern wir müssen weiter kämpfen, bis die Ziele sich verwirklichen. Bedauerlicherweise ist die Ausbildung zum Gebärdensprachlehrer nicht im Bericht vom Ministerrat ausdrücklich festgelegt worden, obwohl sie ein wichtiges Fundament für verschiedene Bereiche z.B. Gebärdensprachdolmetscherausbildung, VHS-Kurse, spezielle Kurse für Eltern, Erzieher, Sozialarbeiter, Gebärdensprachseminare an der Universität usw. darstellt. Verschiedenes Fachwissen über z.B. Lernpsychologie, Didaktik, Soziologie muß erworben werden. Durch die Gewinnung neuer Gebärdensprachlehrer kann ein flächendeckendes Netz an Angeboten für Gebärdenspachkurse erreicht werden. Auf dem Land sieht es viel schlimmer aus als in den Städten. Dort herrscht ein großer Mangel an Lehrkräften. Die Gebärdensprachlehrer können einen wichtigen Beitrag zur Integration Gehörloser in die Gesellschaft leisten. Das ist unsere Aufgabe und diese wollen wir bewältigen. Darüber hinaus würden wir uns sehr auf Eure politische Unterstützung für unsere Ausbildung freuen.

Wir stehen alle kurz vor dem Durchbruch. Wenn wir gemeinsam anpacken, können wir die Anerkennung der Gebärdensprache schneller erreichen. Zum Schluß möchte ich Euch im Namen unseres Verbandes alles Gute und viel Glück wünschen.

Margit Hillenmeyer (gl), München