Herr Ulrich Hase gratuliert:
Liebe 'sbw'-Leserinnen und -Leser,
'selbstbewußt werden', dieser Name ist sehr bezeichnend für den Wandel in der Gehörlosengemeinschaft. Ein Wandel weg von der Bevormundung, hin zu einer aktiven, engagierten Gemeinschaft, welche für ihre Rechte, ihre Kultur und Sprache kämpft.
Dieser Wandel besteht im wesentlichen darin, daß viele Gehörlose erkannt haben, daß die Gebärdensprache eine eigenständige, vollwertige Sprache ist, die auch in der hörenden Welt eine stetig wachsende Akzeptanz und Neugier erfährt. Dieses ist der Tatsache zu entnehmen, daß immer mehr Hörende in die Gebärdenkurse der Landesverbände des Deutschen Gehörlosen-Bundes, der Volkshochschulen sowie der Universitäten drängen. Gerade an den Universitäten erfährt die Gebärdensprache durch die linguistische Forschung einen starken Zuspruch. Aber nicht nur im wissenschaftlichen sondern auch im politischen Bereich nehmen die Gebärdensprache und die Belange Gehörloser einen wachsenden Raum ein.
Daß der Weg zur Anerkennung der Gebärdensprache kein einfacher, sondern ein sehr steiniger und hügeliger war und noch ist, möchte ich durch eine kurze Zusammenfassung der politischen Ereignisse in den letzten Jahren zeigen.
Schon 1988 faßte das Europäische Parlament den Beschluß, daß alle Gebärdensprachen der einzelnen Mitgliedstaaten anzuerkennen seien. Sechs Jahre später befaßte sich in Deutschland dann erstmals die Arbeits- und Sozialministerkonferenz mit der Anerkennung der Gebärdensprache. Sie forderte die Ministerpräsidentenkonferenz auf, die Anerkennung voranzutreiben. Die Ministerpräsidentenkonferenz tat dieses im März 1997 und 1998. Ein Meilenstein stellte der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zur Anerkennung der Gebärdensprache dar, womit sich dann auch der Deutsche Bundestag am 24. Juni 1998 befaßte. Er sprach sich für eine Gleichbehandlung der Gebärdensprache mit der deutschen Lautsprache aus und forderte die Bundesregierung dazu auf, zu prüfen, wie diese Gleichbehandlung erreicht werden kann.
Erstmals ist jetzt in Deutschland dieses Bemühen durch den Hessischen Landtag verankert worden. Der Landtag beschloß hierzu folgendes Richtungsweisendes.-
h Gehörlose Schülerinnen und Schülern muß die Möglichkeit gegeben werden, neben der Vermittlung der Lautsprache ebenso die Gebärdensprachkompetenz zu erwerben.
h Vermittlung von Gebärdensprachkompetenz muß zum verbindlichen Bestandteil der Ausbildung der Hörgeschädigtenpädagogik werden.
h Die Vermittlung von Gebärdensprachkompetenz als Wahlpflichtfach an den Schulen für Hörgeschädigte ab Klasse 5. Unterricht in Gebärdensprache schon früher, wenn kein Hörrest vorhanden ist.
h Anerkennung des Berufsbildes der Gebärdensprachdolmetscherin und des Gebärdensprachdolmetschers.
Wir können erkennen, daß unsere Bemühungen Früchte tragen. Die Zeiten der Diskriminierung unserer Sprache gehen allmählich dem Ende zu.
50. Ausgabe 'selbstbewußt werden' das ist ein Zeichen dafür, daß Ihre Zeitschrift den beschriebenen Anerkennungsprozeß von Anfang an begleitet und gefördert hat. Sie ist gleichermaßen Programm und Symbol dieser Entwicklung.
Dafür gebührt Ihnen Dank.
Ulrich Hase (sh), Kiel, Präsidenr des Deutschen Gehörlosen-Bundes e.V.