GMU-Vorsitzender Herr Josef Willmerdinger schreibt:

50. Jubiläumsausgabe "Selbstbewußt werden"

Ich nehme es gerne zum Anlaß, zur 50. Ausgabe von "Selbstbewußt werden" als Vorsitzender des Gehörlosenverbandes München und Umland e.V. (GMU) allen Mitgliedern, Helfern und Freunden dieser äußerst wichtigen Selbsthilfegruppe im GMU für ihre erfolgreiche Arbeit und ihr persönliches Engagement sehr herzlich zu danken.

Aus meiner Sicht möchte ich die "historische" Entwicklung der Selbsthilfezeitung "Selbstbewußt werden" von den Anfängen bis zur Gegenwart erzählen und auch eine kleine Vorschau für die Zukunft geben.

In den Jahren vor Dezember 1985 wurde diese Selbsthilfezeitung geboren. Es war eine schwere Geburt! Mutige Persönlichkeiten aus dem Gehörlosenbereich - allen voran Gertrud Mally - haben uns mit viel Courage gezeigt, auf welche Weise wir uns mit den 'sbw'-Heften in der Öffentlichkeit darstellen und über uns informieren können.

Der bekannteste Leitsatz aus dem 'sbw'-Heft ist: "Hilf Dir selbst, so kann Dir geholfen werden!" Dieser Satz hat alle Gehörlose bewegt und großen Anteil daran, das Selbstbewußtsein der Gehörlosen zu steigern. Er wurde damit eine große Hilfe für alle Betroffenen.

'sbw' wurde schnell zu einer der interessantesten Zeitschriften für alle Betroffenen im Gehörlosenbereich - für Gehörlose, Schwerhörige, Eltern, Lehrer, Erzieher, Pädagogen, Linguisten usw.

Erwähnenswert ist auch, daß viele nicht schreibgewandte Gehörlose ihre Meinungen, Ideen und Vorstellungen original im 'sbw'-Heft abdrucken ließen. Es ist erstaunlich und bewundernswert und zeugt vom großen Mut der Autoren, ihre eigene Schwäche im Beherrschen der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit offen darzustellen. Damit wollen wir auch zeigen, daß unsere "Schreibschwäche" in der deutschen Sprache ein Produkt der mangelnden Ausbildung in den Gehörlosenschulen ist. Die Gehörlosenschulen fordern uns Gehörlose nie (!) richtig heraus.

Es ist richtig, immer wieder offenzulegen, welche Verbesserungen möglich sind - man kann sich also mit aller Offenheit mit sämtlichen Belangen auseinandersetzen, besonders mit den Gehörlosen.

Es hilft uns nicht, sich viele Jahre lang immer an den gleichen Methoden (wenn sie auch seit 1888 (!) ein bißchen verändert wurden) festzukrallen und die Schwäche in der deutschen Schriftsprache als typische Schwäche der Gehörlosen abzustempeln.

Die Pädagogen und Gehörlosenlehrer der heutigen Zeit müssen jetzt mit den Gehörlosen zusammenarbeiten. An uns kommen sie nicht mehr vorbei! Mit den bekannten Ausreden hilft uns die Lehrerschaft nicht.

Aber ich will die Schuld nicht allein den Gehörlosenschulen geben. Ich möchte nur erreichen, daß die Gehörlosenpädagogen mehr Einblick in unsere Gehörlosenkultur gewinnen und sie kennenlernen. Es ist beschämend, daß die meisten Gehörlosenlehrer nie außerhalb der Schule mit Gehörlosen zusammenkommen. Dies ist leider - bis auf wenige Ausnahmen - heute noch (!!!) der Fall!

Ich wünsche, daß "Selbstbewußt werden" immer in der Lage sein wird, gute, faire und hilfreiche Informationen für alle interessierten Leser, Betroffene und Nichtbehinderte zu geben.

Die 'sbw'-Hefte sind unverzichtbare Veröffentlichungen für Gehörlose und Hörende geworden. Sie schenken uns großes Wissen und Einsicht in das Leben der Gehörlosen von der Basis bis zum höchsten Level der Politik.

Als GMU-Vorsitzender wünsche ich "Selbstbewußt werden" mit allen Mitarbeitern viel Erfolg bei der Arbeit und weiterhin hohe Motivation.

Josef Willmerdinger (gl), Moosburg