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Newsletter, Ausgabe vom 29.9.1999

Die Wurzeln unserer Sprache

 Forscher beschreiten neue Wege zur Erforschung sprachlicher Kommunikation

Sprachwissenschaft. - Die Entstehung der menschlichen Sprache bleibt eines der großen Rätsel. Seit langem untersuchen Kognitionsforscher, ob sie ein vollständig künstliches System darstellt oder vielmehr aus direkten Beziehungen zu den Objekten, die sie beschreibt, erwuchs. Dazu beobachteten Arbeitsgruppen bereits lernende Kleinkinder, andere widmeten sich der Kommunikation unter Tieren. Ein belgischer Forscher versucht jetzt, Roboter für sprachliche Kommunikation zu interessieren. Auf der Vierten Fachtagung für Kognitionswissenschaft, die noch bis zum 1. Oktober 1999 in Bielefeld stattfindet, stellte er erste Ergebnisse vor.

Die Fähigkeit, Assoziationen zwischen Wörtern und ihren realen Objekten herzustellen, ist wahrscheinlich angeboren, vermuten zumindest einige Sprachwissenschaftler. Luc Steels von der freien Universität Brüssel vertritt eine andere Ansicht: "Das Lernen neuer Wörter ist ein Prozess der Bildung von Hypothesen, die dann immer wieder auf ihre Richtigkeit überprüft werden." Sprache stehe in einem steten Wandel, bei dem Wörter eine Bedeutung verlieren und dafür eine andere annehmen könnten. Auch entstünden immer wieder völlig neue Wörter. "Dabei gibt es keinen Kontrollmechanismus." Steels sieht darin evolutionäre Prozesse, die zu einer Selbstorganisation von Sprache führen.

Um seine Theorie zu belegen, entwarf der Belgier ein neues Modell: In Tokio, Brüssel, Paris und Antwerpen stehen Roboter vor Magnettafeln, die geometrische Figuren tragen. Über das Internet spielen die synthetischen Sprachanfänger nun miteinander Sprachspiele. Ihr Ziel dabei ist es, die Position der Figuren auf der Tafel zu beschreiben. Sie haben nur dann ein Erfolgserlebnis, wenn ihr Gesprächspartner sie richtig verstanden hat. Überdies können Surfer über eine Webseite mit den sogenannten "Talking Heads" - "Sprechenden Köpfe" - kommunizieren und ihnen Wörter beibringen.

Die eigentliche Intelligenz verbirgt sich in Tausenden einzelner Software-Agenten, die in den Robotern hausen und miteinander über Wörter und Bedeutungen verhandeln. So erweitert ein Blechkopf aus dem Wissen der anderen seinen Sprachschatz. Doch können die "Talking Heads" auch selbst neue Wörter bilden. "Das sind Worte wie "Sesubibo" oder "Goreba". Im Internet kann man sich diese Kreationen anhören", berichtet Luc Steels. Inzwischen beherrschen die Roboter über 7000 neue Wörter, darin eingeschlossen ein Kernwortschatz von etwa 200 Wörtern. Zwischen einigen Robotern, die besonders häufig miteinander sprechen, ist sogar eine Art Spezialsprache entstanden: Manche Wörter dieser Sprache besitzen mehrere Bedeutungen, andere wiederum gingen nach einiger Zeit unter - ganz wie in der natürlichen Evolution von Sprache.

Die Roboter sind der Beweis dafür, so glaubt Steels, dass Sprache sich selbst organisiert. Zumindest auf der Ebene der Wort-Objekt-Beziehung, bei der die Grammatik noch keine Rolle spielt. Doch auch der Wissenschaftler ist überzeugt, dass die menschliche Sprache mehr ist, als nur ein Kommunikationsmittel. "Sprache trägt Leben in sich und beeinflusst unsere Sicht der Welt." Die sprachbegabten Roboter finden Interessierte im Internet.

[Quellen: Kristin Raabe, Luc Steels]